Matt Talbot …

Katholisch geworden – Alki geblieben

Von Herbert, Alkoholiker

 Ostern 2025 bin ich katholisch geworden und lerne gern dazu.

Dass ich selber am 2. Mai geboren bin, wusste ich schon vorher. Aber dass der Schutzpatron der Trinker und Suchtkranken ebenfalls am 2. Mai geboren wurde, allerdings in Dublin und schon 1856, das weiß ich jetzt erst.

Er heißt Matt Talbot und wurde als zweites von zwölf Kindern in eine arme irische Familie hineingeboren. Nach einem kurzen, knappen Schulbesuch fand er bei einem Wein- und Whiskeyhändler den Job seines Lebens und war schon als 13-Jähriger ein Alki, wie er im Bilderbuch der Jellinekschen Phasen steht, akademisch gesprochen.

Und er trieb sich in Pubs herum, stapelte Schulden bzw. „Sondervermögen“ auf Sondervermögen, wie die sogenannte „Unsere Bundesregierung“. Und weil er keine Bevölkerung hatte, die ungefragt für ihn bürgte, blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Sonntagsklamotten und Winterstiefel in die Pfandleihe zu tragen, um weiter „konsumieren“ zu können, wie das Saufen in den besseren Kreisen heißt.

Als er eines schlimmen Tages im Jahre 1884 gar nichts mehr auf Tasche hatte und auch noch einer armen Sau von Straßenmusiker die einzige Geige klaute, um sie zu versetzen, hockte er abends einsam und verlassen in der Gosse. Sogar seine Saufkumpels wollten jetzt nichts mehr mit diesem miesen Kameradenschwein Matt Talbot zu tun haben.

In seinem „Irischen Tagebuch“ schreibt Heinrich Böll von Einzelsäuferzellen in den Pubs. Das erinnert mich erstens an meine letzten nassen Wochen als Stubensäufer und zweitens scheint das Saufen in Irland eine geradezu religiöse Dimension zu haben.

Matt Talbot fasste an diesem Tiefpunkt den Entschluss, „das Gelübde abzulegen“, wie die Iren dazu sagen, wenn einer das Trinken sein lassen will. Er betrat die nächste beste Kirche und legte dort seine Beichte ab. Der irische Geistliche kannte sich aus mit den Iren und ihren irischen geistlichen Getränken (bisschen Spaß beim Schreiben muss auch mal sein). Er riet dem Trunkenbold, sein „Gelübde“ erst mal nur für drei Monate abzulegen.

Talbot hatte sich 16 Jahre lang in Grund und Boden gesoffen, war völlig kaputt, wurde vom Mandolinenfieber und anderen Entzugserscheinungen so gequält, dass das „Gelübde“ ein echt anstrengender 24-Stunden-Job wurde. Er unternahm lange Spaziergänge weit weg von seinen alten Stammkneipen und Trinkertreffs, kam zur Ruhe in den Kirchen, die er vorher nur von außen kannte, nahm täglich an der Messe teil, vertiefte sich in fromme Traktate und lernte den Rosenkranz auswendig, so gut er konnte.

Nachdem der stadtbekannte Schluckspecht auf dieser Tour tatsächlich drei Monate trocken überstanden hatte, gelobte er Abstinenz für die nächsten sechs Monate und danach fürs ganze Leben.

Als es ihm körperlich wieder besser ging, bemühte er sich ernsthaft um Arbeit und wurde schließlich von einer Baufirma in den Docks eingestellt. Er drückte sich vor nichts, war pünktlich, ehrlich, zuverlässig und hilfsbereit, kurz: ein guter Kollege. Das fanden dann auch seine Vorgesetzten und die anderen Mitarbeiter der Firma.

Schlussendlich zahlte er auch seine Schulden zurück, suchte sich einen geistlichen Mentor und nahm das Leben der irischen Mönche des 6. Jahrhunderts als Vorbild für sein neues nüchternes Dasein. Sämtliche Freizeit widmete er dem Bibellesen und dem Gebet, das er oft durch Fastenzeiten unterstützte.

1890 trat er dem Dritten Orden der Franziskaner bei. Darin organisieren sich Menschen, die nicht im Kloster wohnen, aber ansonsten ihr Leben nach den Grundsätzen des Franz von Assisi ausrichten. Um Mitternacht stand er auf zum klassischen keltischen Gebet mit ausgestreckten Armen und legte sich anschließend wieder hin zum Schlafen auf ein Brett als Bett mit einem Holzscheit als Kopfkissen.

Werktags ging er vor der Arbeit zur Messe und sonntags mehrmals.

An einem Sonntag, 7. Juni 1925, war er gerade zur dritten Messe unterwegs, als er auf offener Straße hinfiel und starb, weil sein Herz nicht mehr mitmachte. Als man ihn fand, trug er eine Kette um den Leib als Symbol dafür, Sklave Gottes und der Jungfrau Maria zu sein.

Für viele Iren, die ihn kannten, war er ein Heiliger. 1931 leitete der Dubliner Erzbischof ein entsprechendes Prüfungsverfahren ein. 1947 begann der Seligsprechungsprozess. Papst Paul VI. erklärte ihn 1975 zum Ehrwürdigen Diener Gottes. Im Dubliner Stadtzentrum wurde 1978 die Talbot Memorial Bridge über den Liffey eröffnet. Zehn Jahre später errichteten die Iren ein Denkmal Talbots am Südende der Brücke.

In Sidney, Australien, gibt es seit 1938 das Matthew Talbot Hostel mit Suppenküche und Übernachtungsmöglichkeiten für obdachlose Männer.

Bei Katholiken in Nordamerika, die beruflich oder als Betroffene mit Alkoholismus zu tun haben, ist die Verehrung Talbots weit verbreitet. Deshalb sind in den USA schon Suchthilfe-Einrichtungen nach ihm benannt worden.

In Berlin erscheint 2025 ein Artikel über Matt Talbot in der TrokkenPresse, wie Du hier siehst.

Ansonsten bleibt es dabei, dass ich selber heilsfroh bin, nicht mehr saufen zu müssen, und ohne Gruppe geht es nicht.