„Stationen“

Cover StationenAlkohol: Wege in die Sucht, Wege aus der Sucht

TrokkenPresse Verlag

„ … und dann fehlten mir plötzlich zwei Tage. Ich kann mich nur erinnern, dass es irgendwann Frikadelle mit Mischgemüse gab. Später erzählte mir meine Tochter, dass mir immer wieder das Essen aus dem Mund gefallen sei. Ich kann mich nicht mal erinnern, ob ich mich alleine angezogen habe … Das war dann wohl das Schlüsselerlebnis für mich. Ich ließ mich stationär einweisen.“
(Aus dem Bericht von Karin Pohl)

So wie Karin lassen noch 17 weitere heute trockene Alkoholiker den Leser hautnah miterleben, was Sucht tatsächlich bedeutet. Wie sie hineingerutscht sind, wie sie sich mit Scham und Schuld und dem Zwang, trinken zu müssen, durch den Alltag kämpften. 18 Betroffene sind gleich 18 verschiedene Berichte. Und 18 verschiedene Wege, trocken zu werden und zu bleiben. Ebenso kommen Suchttherapeuten und Sozialarbeiter zu Wort.
Das Buch bietet einen Schatz an Erfahrungen, die jeder Abhängige oder Angehörige nutzen kann für den eigenen Weg. Und es schenkt  – und das ist das große Anliegen überhaupt: Hoffnung. Denn ja, es gibt ein Leben, ein gutes,  nach der  Trinkerei …

Außerdem will und kann das Buch dem noch suchenden Interessierten Antworten geben auf Fragen wie:
Warum kann ein Trinker nicht einfach NICHTS trinken?
Warum trinkt er überhaupt?
Wie und wann erkennt man, dass man süchtig ist?
Kommt man vom Alkohol wieder los?
Muss man dann wirklich für immer abstinent leben?

Ein Erfahrungsbuch von Abhängigen für Unabhängige und Betroffene, das nicht nur lebendige Informationen bietet, sondern allen Betroffenen auch Mut und Hoffnung schenkt.

Stationen
Alkohol: Wege in die Sucht, Wege aus der Sucht
TrokkenPresse Verlag
188 Seiten, mit Fotos, 14,00 Euro
ISBN 978-3-9813253-6-2

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Inhalt:

Vorwort

Kapitel 1
Wenn Mutter und Vater trinken: Kindheit mit süchtigen Eltern
– Ich wollte nie so wie meine Mutter werden (Katrin M.)
– Leben mit einer alkoholkranken Mutter (Mutter und Tochter)

Kapitel 2
Reingerutscht?
So bin ich abhängig geworden

– … und dann kamen Extasy und Alkohol dazu (Merle *)
– Wie alles begann (Gerd Klütemeyer)
– Mein erstes Bier habe ich mit 16 getrunken (ein Musikliebhaber)
– Zuhälter Alkohol (Wolfgang Hille)

Kapitel 3
Erkenntniswege: Bin ich wirklich Alkoholiker?
– Ich. Alkoholiker. (Axel Svehla)
– Es hat lange gedauert, bis ich es wahrhaben konnte (Karin Pohl)

Kapitel 4
Ich will so nicht mehr leben: Entgiftung und Entwöhnung
– Auch das tiefste Elend ist eine Chance (Klaus Wehmeier)
– Meine dritte Langzeittherapie (anonym)
– Wie ich Gruppe dann doch zu schätzen lernte (Cornelia Ludwig)
– ENTGIFTUNG (Andreas Friedrich)
– Sieben Tage in einer geschlossenen Abteilung (anonym)

Kapitel 5
Perspektiv-Wechsel: Sucht-Therapeuten berichten
– Therapie heißt Begleitung, nicht Behandlung (Holger Tarrats)
– Alles, was die Patienten bewegt, ist wichtig (M. Frank)
– Uns läuft immer mehr die Zeit davon (Peter Schwarz)

Kapitel 6
Endlich trocken: Aber wie lebt man ohne Alkohol?
– Die Tagesstätte ist mein Anker (Eva L.)
– Ich habe die Marion gesucht (Marion M.)
– Auf der Suche nach dem Lichtschalter (Anja Wilhelm)
– Ich würde die Uhr gerne zurückdrehen (Erwin Rhode *)
– Geh zur Entgiftung, oder ich bin weg! (Peggy)
– … aber ich bin heute auch ohne Alk fröhlich! (Helga M.*)

Erster Seiteneindruck
009

Kleine Leseprobe

 

Aus dem Text: … auf der Suche nach dem Lichtschalter

Zehn Jahre Trunksucht lagen hinter mir.
Fast jeder Morgen der Tage dieser Jahre begann so:

Die Augen noch geschlossen, fühle ich mich todmüde, jeder Knochen ist schwer wie Blei, der Kopf brummt, ein angstvoller Gedanke dreht sich darin wie ein Kreisel: Ist hoffentlich noch ein Schluck Wein da? Hab ich gestern Abend etwas für den Morgen übriggelassen?
Ich raffe mich auf und tappe mit wackligen Beinen in die Küche. Gottseidank! Meine zitternden Hände umklammern die Flasche, ich stürze die letzten Tropfen hinunter. Mach das Zittern weg! Oh nein, ich muss zum Klo. Mein Magen weigert sich…ich würge. Der Alk muss drin bleiben! Damit ich den Weg zum Supermarkt schaffe. Zum Weinregal. Und für ein Alibi-Brötchen, damit es nicht so aussieht, als wäre ich Alkoholiker.
An der Kasse mühe ich mich verzweifelt umsonst, die Kreditkarte ruhiger Hand zu reichen. Hartgeld abzählen? Völlig unmöglich. Ich beneide die Kassiererin, sie sitzt so frisch und nüchtern vor mir. Die hat es gut. Und bemitleide mich selbst. Und verfluche mich. Verzweifelt, voller Scham, stakse ich mühselig nach Hause. Noch auf den schier unendlich scheinenden 250 Metern halte ich an einer Parkbank, öffne eine Dose Prosecco – die kann ein gut meinender Passant gerne als Limodose sehen – und schlucke, schlucke und warte auf die Wirkung …

In dieser Zeit las ich im Internet sehr viel über die Sucht. Besonders die persönlichen Erfahrungen trockener Alkoholiker sog ich in mich auf. Denn: Ich hatte Angst vor der Abstinenz. Panische Angst. Ich wollte wissen, wie man damit leben kann … Ich las auch Gedanken wie: „Heute bin ich ein zufriedener trockener Alkoholiker“ oder „Mein ganzes Leben hat sich verändert. Mein Denken und Fühlen. Ich bin ein anderer Mensch geworden“.

Das alles schenkte mir zwar etwas Hoffnung. Ich klammerte mich an diese Aussichten wie eine sprichwörtlich Ertrinkende an einen Strohhalm. Aber es schien mir irgendwie, ja, unreal. Ich konnte es einfach nicht glauben: Wie soll man glücklich und zufrieden sein können, wenn man das, was einen bislang annähernd am Leben erhalten hat, plötzlich meiden muss?

Es schien mir unerklärlich. Und unerreichbar …

Rezension:

„Und dann fehlten mir plötzlich zwei Tage“

Eine Sammlung von Erlebnisberichten rund um das Thema Sucht ist im Dezember vergangenen Jahres beim TrokkenPresse Verlag erschienen. In verschiedenen Episoden kommen darin unterschiedliche Beteiligte zu Wort: Abhängige und Angehörige, aber auch Therapeuten und Sozialarbeiter schildern ihre Erlebnisse zum Teil in Form von Gegenüberstellungen, Interviews oder einzelnen Geschichten. Entstanden ist ein Buch, das Hoffnung macht – das aber auch polarisieren dürfte.

Niemand, der jemals als Angehöriger, Angestellter oder Abhängiger den Verlauf einer Suchterkrankung (mit)erleben musste, wird sich der Eindringlichkeit der in diesem Buch vorgestellten Einzelschicksale entziehen können. Aber auch für Menschen, die ganz neu mit dem Thema Abhängigkeit konfrontiert werden, bietet die Sammlung von Erfahrungsberichten einen angemessenen Einstieg in die Thematik. Quälende Fragen wie: „Warum kann ein Trinker nicht einfach nichts trinken?“ oder „Kommt man vom Trinken wieder los?“ werden zwar behandelt, bleiben aber –  erfreulicher Weise – ein Stück weit unbeantwortet. Die Erfahrungsberichte sprechen für sich. Die Machtlosigkeit des Einzelnen gegenüber der Sucht wird deutlich, so lange der Abhängige sich nicht klar zu ihr bekennt und aktiv gegen seine Abhängigkeit vorgeht. Am Anfang eines jeden Genesungsprozesses steht zunächst das Eingeständnis des eigenen Kontrollverlustes und im weiteren Verlauf die Kapitulation vor dem Suchtmittel. Ist dies geschehen, zeigen die Protagonisten verschiedene Wege auf, die Ihnen oder Ihrem Gegenüber ein suchtmittelfreies Leben ermöglicht haben.

Kein Königsweg

Indem die Betroffenen aus unterschiedlichen Blickwinkeln über ihre Erfahrungen rund um das Thema Sucht berichten, werden verschiedene Wege beschrieben, die in die Abhängigkeit hinein, aber auch aus ihr heraus führen können. Erfreulicher Weise verzichtet das Buch hierbei auf jedwede Bewertung, zückt nicht den moralischen Zeigefinger und erhebt keinerlei Anspruch, einen für jeden Betroffenen übertragbaren Königsweg in die Abstinenz parat zu halten. Welche Folgen und Gefahren birgt ein gesellschaftlich weit verbreiteter und akzeptierter Suchtmittelkonsum für den Süchtigen? Wie verändert sich sein Leben und das seiner Angehörigen, Freunde und Kollegen?  Welche inneren und äußeren Widerstände gilt es auf dem Weg zur Genesung zu überwinden? Wie erleben Betroffene ihren persönlichen Tiefpunkt und was ist damit gemeint? Welche Facetten des Selbstbetrugs gibt es und welche Einsichten spielen auf dem Weg in eine dauerhafte Abstinenz eine Rolle?

Ergreifend wird es, wenn zum Beispiel die Tochter einer alkoholabhängigen Mutter aus ihrer seinerzeit kindlich-naiven Sicht über ihre Erfahrungen mit dem oft betrunkenen Elternteil berichtet.

Deutlich wird, wie ein Kind die Veränderungen im Verhalten der Mutter erlebt und welche Ängste, Schuldgefühle und Bewältigungsstrategien die Angehörigen eines Süchtigen so oft und zielsicher in die Co-Abhängigkeit treiben. Begleitet von Scham- und Schuldgefühlen, Selbstvorwürfen und Realitätsverleumdung, innerer Zerrissenheit, äußerer Isolation und mehr oder weniger heftigen Rückschlägen berichten in weiteren Episoden unterschiedlichste Betroffene, aber auch Therapeuten und Sozialarbeiter, über ihre Erfahrungen. Die Rolle und Bedeutung therapeutischer Einrichtungen und vor allem die der Selbsthilfe wird so auf angemessene Weise gewürdigt.

Gesprächsstoff garantiert

Das Buch lädt ein zum Diskutieren. Wenn Abhängige davon berichten, wie sie ihren Suchtdruck über längere Zeit mit Hilfe von Medikamenten (namentlich genannt) in den Griff bekommen haben, dürfte so manchem Vertreter der Selbsthilfe die Hutschnur hochgehen. Dort arbeiten viele noch heute nach dem Motto: „Pille gleich Pulle“. Auch lehnen manche die tiefenpsychologisch begründete Suche nach den Ursachen der Sucht in der Vergangenheit ab und schwören auf eine Existenz im Hier und Jetzt. Andere wiederum sind der Meinung, dem Erfolg bei der Bekämpfung einer Suchterkrankung, müsse immer ein langer und schmerzhafter Prozess der Aufarbeitung und dann der Verhaltensänderung vorausgehen.

Die in den einzelnen Episoden des Buches vorgestellten Wege aus der Sucht lassen in jedem Fall hoffen. Dabei sind sie so unterschiedlich, dass das Buch zwangsläufig polarisiert. Wohl nur in einem Punkt dürfte Einigkeit bestehen: Untätig bleiben kann tödlich sein.                                                                                                                                                                       (mahebest)