AnDi und seine Gedanken zur Zeit:
Geburtstag der Nächstenliebe
Haben Sie dieses Jahr Lust auf Weihnachten? Kommen Sie in Weihnachtsstimmung? Im September gab es schon Lebkuchen und Spekulatius! Spätestens im Oktober beginnt das Weihnachtsgeschäft. Geschäft ja, aber Stimmung? Der Krieg in der Ukraine geht weiter, der nahe Osten brennt, das Fest des Friedens wird in diesem Jahr wieder einmal wenig friedvoll sein. Aber was erwarten wir da? Einen herabschwebenden Engel?
Nein, so wird es nicht kommen. Wer sich passiv niederlässt und darauf wartet, dass Weihnachtsstimmung aufkommt, der wird wohl wieder einmal enttäuscht werden. Schön wäre es ja, wenn man seinen Kinderglauben behalten könnte. Aber es wäre ein fatales Missverständnis. Mit der Geburt Jesu beginnt die Geschichte der Nächstenliebe. Das ist mehr als 2000 Jahre alt, aber alle 365 Tage verblüffend neu. Das ist der himmlische Auftrag für den Menschen: Einsatz gegen Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Krieg, Rassismus – gegen all das, was die Menschen trennt. Wer, wenn nicht wir, die Humanisten und Christen und die Wohlmeinenden, können Weihnachten aktiv zu einem Fest des Friedens untereinander umgestalten? Das bringt dann nämlich eine – reife – Weihnachtsstimmung. Dazu bräuchte man eigentlich kein Fest, sondern eine innere Einstellung, die sich an Werten orientiert.
Solche Werte sind so einfach: Gleichberechtigung und Nächstenliebe (oder wie immer man das nennen will) reichen schon, um mit den Israelis genauso solidarisch zu sein wie mit den Palästinensern, Flüchtlinge ebenso zu unterstützen wie deutsche Obdachlose, um nur diese Beispiele zu nennen. Wir müssen nicht gegen oder für die Juden, die Palästinenser, die Ukrainer oder Russen sein, wir dürfen für eine gerechte Welt sein. Und wer ist wir? Ich und Sie, Du und ich, wir beide könnten beginnen, im privaten und gesellschaftlichen Bereich selber aktiv zu werden und es nicht den Politikern überlassen, wie wir uns die Welt gestalten. Die Politiker haben ganz andere Interessen: Es geht um Macht und Geld, um Einfluss und Ideologien, die nicht das Ganze im Blick haben, sondern den eigenen Anteil am Ganzen.
Sind wir wirklich so machtlos? Wir können uns bemerkbar machen, in der Familie, im Beruf und Verein, bei der Wahl, in den sozialen Medien uns gegenseitig „liken“, wenn jemand einen konstruktiven Text veröffentlicht hat. Wir können auf harte Worte und Hass verzichten zugunsten einer menschenfreundlichen Haltung und Sprache. Unsere Kinder würden davon profitieren und sich vielleicht sogar ebenso verhalten, wir könnten die Menschenfreundlichkeit zu einer Pandemie werden lassen.
Wir könnten! Was hindert uns? Bei mir ist es manchmal das Gefühl, ich ändere ja doch nichts! Obwohl ich es besser weiß, beschleicht mich der Gedanke immer wieder. Natürlich ändere ich etwas, wenn ich mich dem Unrecht entgegenstelle, wenn ich in meiner Familie keinen Unfrieden schaffe, wenn ich verzeihe, wenn ich Fehlverhalten nicht einfach verurteile, sondern die oder den anderen zu verstehen versuche, um an humanen Alternativen zu arbeiten. Ausgrenzung ist keine Lösung, Inklusion dagegen ist alle Mühe wert.
Wenn Sie nun die Nase voll von meinem naiven Gesäusel haben, dann habe ich viel Verständnis dafür. Ich mag nämlich auch keine Moralpredigten von Besserwissern, aber ich denke manchmal, wie sehr ich mir solche Beiträge wünschen würde, wenn ich aus meiner Heimat flüchten müsste, wenn ich vor Bombenangriffen in einen Bunker eilen müsste, wenn ich betrunken und ohne Gewalt über mich im Graben läge, wenn ich rassistisch verfolgter Jude oder Palästinenser wäre, wenn ich Opfer einer Gewalttat wäre, wenn ich eine Behinderung hätte, wenn ich von Hartz IV leben müsste oder anders benachteiligt wäre.
Besinnung ist manchmal nicht fetzig, progressiv und spannend, sondern ganz konservativ langweilig. Weihnachten ist jedes Jahr wieder der Geburtstag der tätigen Hoffnung,
meint mit guten Wünschen für einen weihnachtlichen Neubeginn Ihr AnDi
PS: Für Dauerleser: Die Bahn hat mir nur die Verspätung erstattet, nicht aber die vergebens erworbenen Tickets. Ich bleibe gelassen und zäh!