Wie Medikamente abhängig machen können

Die stille Sucht:

Wie Medikamente abhängig machen können

Etwa 2,9 Millionen Menschen sind in Deutschland abhängig von Medikamenten oder nehmen sie problematisch ein. Und das sind nur Schätzungen, die Dunkelziffer mag sehr viel höher liegen. Es gibt viele Hilfen für sie, dennoch suchen nur wenige eine Suchtberatung auf. Medikamentenabhängigkeit wird auch als „die stille Sucht“ bezeichnet, man sieht sie nicht, sie schleicht sich leise ein …Wir sprachen mit Apothekerin und Dozentin Vivian Wagner aus Berlin. Sie ist aktiv in der Berliner Initiative gegen Medikamentenmissbrauch und arbeitet im ehrenamtlichen Projekt der Apothekerkammer Berlin „Apotheke macht Schule“ mit.

Ab wann missbraucht man Medikamente, ab wann ist man abhängig? Wie bemerkt man das, auch selbst an sich?

Leider ist der Übergang oft schleichend und schwer zu erkennen. Ein Fehlgebrauch (zu viel/zu oft/zu lange) kann häufig zum Missbrauch übergehen. Je psychoaktiver, also bewusstseinsverändernder die Substanz, desto schneller dann die Abhängigkeit. Gefährdende Kofaktoren sind andere Abhängigkeiten und psychische Erkrankungen wie z.B. Depressionen. Wie Sie es an sich selbst erkennen können, lesen Sie bitte im Kastentext s.u.

Es heißt, 5 Prozent der rezeptpflichtigen Medikamente haben Suchtpotenzial: Welche gehören dazu?

Alle, die zentral wirksame Substanzen enthalten: Die also die Blut-Hirnschranke überwinden, die schützende Grenze zwischen Blut und Gehirn. Die schlimmsten Abhängigkeiten sehen wir bei Schmerzmitteln (wie Opioide), Schlafmitteln- und Beruhigungsmittel (wie z.B. Benzodiazepine oder Antidepressiva). Sie sollen ja auch bis ins Gehirn gelangen und dort „arbeiten“.

Woher kommt ihr Suchtpotenzial?

Sie docken an die Rezeptoren körpereigener Botenstoffe an, die das Belohnungssystem befriedigen, wie Dopamin und GABA. Die Wirkstoffe selbst sind unterschiedlich stark suchterregend, aber wichtig ist auch, wie sie verpackt sind: Wenn man das Mittel auflöst und trinkt oder als Tropfen nimmt, ist das schneller süchtig machend, weil sie im Suchtzentrum im Gehirn schneller anfluten als eine Depot-Tablette. Meist dürften sie auch nur zwei Wochen angewendet und müssen dann ausgeschlichen werden. Die Medikation sollte dann geändert werden auf weniger süchtig machende Mittel. Das ist die Kunst des Arztes.

Weshalb werden Menschen dann doch süchtig, obwohl sie von ihren Ärzten doch den Gebrauch vorgeschrieben bekommen?

30 Prozent der Patienten, so sagen Versorgungsforschungen, nehmen ihre Medikamente tatsächlich nicht genau nach Plan ein, sondern nach eigenem Gusto. Medikamente, die ihnen guttun, zum Beispiel höher dosiert und Medikamente, die nicht so beliebt sind (Blutdruckmittel, Entwässerungsmittel) gar nicht oder niedriger dosiert. Der größte Unsicherheitsfaktor ist der Mensch: Was macht er mit sich? Die Sucht entsteht auch nicht nur durch den Stoff, sondern die Suchtmaschine im Kopf.

Weshalb gibt es überhaupt Medikamente, die abhängig machen, wäre das nicht vermeidbar?

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