Scham und Stigmatisierung auflösen:
Auf zum Recovery-Walk in Leipzig am 27. September 2025!
Mit Schnapsflasche oder Spritze heruntergekommen auf der Parkbank hausend. Willensschwach, charakterlos und selber schuld, schäm dich! – Kaum mehr zu glauben, aber noch immer ist dies das Bild eines abhängigen Menschen in den Köpfen vieler Menschen. Ein zähes Stigma. Obwohl Sucht bereits viele Jahrzehnte als eine Krankheit gilt, die jeden betreffen kann wie Diabetes oder Arthrose beispielsweise. Und die therapiert werden kann bis zur vollständigen Genesung. Der neu gegründete Verein Recovery Deutschland e. V. will helfen, dieses Stigma aufzulösen und Betroffene zu stärken. Das erste große Projekt dazu ist der Recovery Walk im September. Das Konzept dafür kommt aus Schottland. Die TrokkenPresse sprach dazu mit der Initiatorin Mika Döring, selbst Genesende
Was ist der Recovery Walk – also der „Genesungs-Marsch“?
In Schottland gibt es das Scottish Recovery Consortium, eine Organisation, die sich speziell um Menschen kümmert, die eine Suchterkrankung haben oder davon genesen. Sie bringt mit verschiedenen Aktionen das Thema Stigma und Genesung in die Öffentlichkeit und im September gipfelt das dann seit zehn Jahren im Recovery Walk, immer in einer anderen Stadt. Wie letztes Jahr in Glasgow, es waren mehrere tausend Teilnehmende, die auf die Straße gegangen sind, sich gezeigt und gemeinsam gefeiert haben. Es beginnt immer mit einer Gedenkzeremonie für alle Menschen, die ihr Leben an Substanzen, an die Sucht verloren haben. Dann beginnt der Walk, drei bis fünf Kilometer durch die Stadt, bis zu dem kleinen Open-Air-Festival mit Musik und Ständen von Selbsthilfevereinen- und Trägern, mit Austausch- und Vernetzungsangeboten.
Wird es in Leipzig ähnlich ablaufen?
Ja. Wir orientieren uns daran, bauen auf diesen Erfahrungen auf, die Schotten unterstützen uns und freuen sich, dass ihr Konzept weiterreist.
Was kann so ein Walk bewirken?
Ich glaube, es ist ein ganz wichtiges Zeichen, wenn Menschen, die eine Sucht überwunden haben oder in Genesung sind, auf die Straße gehen und ihr Gesicht zeigen. Suchterkrankungen sind immer noch stigmatisiert und ganz viele Betroffene schämen sich auch noch, wenn sie die aktive Abhängigkeit hinter sich gelassen haben. Das ist etwas, was wir ändern müssen. Sucht ist eine Erkrankung, Konsumprobleme betreffen ganz, ganz viele Menschen, in allen Schichten, Berufs- und Altersgruppen. Das zu zeigen ist wichtig, damit wir von diesem Bild loskommen, Menschen mit Alkoholproblem sehen so und so aus, die sind charakterlich so und so … diese negativen Bilder sind so verhaftet in den Köpfen. Je stärker das Stigma ist, desto weniger zeigen sich die Menschen. Und je weniger sie sich zeigen, desto stärker bleibt das Stigma. Das bedingt sich also ein bisschen gegenseitig. Es ist wichtig, dass wir aus diesem negativen Kreislauf aussteigen. Das ist unsere Hoffnung, dass wir es in Deutschland schaffen, positive Bilder von Genesung in die Öffentlichkeit zu bringen.
Gab es in Schottland Veränderungen durch die Recovery-Initiative und die Walks?
Die Zahlen oder wie es ausgewertet wird, weiß ich nicht. Aber die CEO Tracey McFall hat mir im Gespräch gesagt, dass sie total stolz auf ihren Erfolg sind: Recovery ist kein „schmutziges“ Wort mehr in Schottland, es gibt inzwischen eine viel breitere gesellschaftliche Akzeptanz dafür.
Wie bist du auf diese Idee gekommen, das Konzept hierher zu holen?
Erfahren hatte ich davon von dem Stigma-Forscher Georg Schomerus aus Leipzig. Und hatte immer so gedacht, das müsste irgendwer mal machen … Und dann: Naja gut, wenn es kein anderer macht, mache ich es vielleicht? Natürlich nicht ich alleine. Über den SodaKlub-Podcast habe ich ja schon eine gewisse Reichweite, die ich nutzen konnte, um Mitstreiter und Mitstreiterinnen zu finden. Als ich im Januar etwas in unserem Newsletter dazu geschrieben habe, war das Interesse groß und die Initiative entstand …
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