Der Tlingit-Indianer Bill Pagaran im Interview mit der TrokkenPresse
Als erstes möchte ich herzliche Grüße an meine deutschen und anderen europäischen Freunde schicken. Ihr gehört mit zu meinen Lieblingsmenschen auf dieser Welt. Ja, ich bin ein professioneller Schlagzeuger, Kursleiter und Autor. Zurzeit bin ich der Trommler der indianischen Band Broken Walls, außerdem leite ich ein Programm zur Suizidprävention mit dem Namen Carry the Cure, lnc. Ich bereise also die Welt als Redner und Motivator an öffentlichen Schulen, in Kirchen und anderen Einrichtungen.
Warum besuchen Sie unser Land?
Warum ich hier in Deutschland bin? Das ist eine gute Frage. Ich bin aus verschiedenen Gründen hier. Einer der Gründe für meine Anwesenheit ist, dass ich eine Botschaft der Ermutigung mit den Kirchen in Deutschland teilen möchte. Ich glaube daran, dass dies die richtige Zeit des Erntens (i. christl. Sinne; A.d.Ü) und des Aufbaus in Deutschland ist. Ich sehe einen offenen Himmel über Deutschland, einigen Teilen von Europa und über den Native Americans. Auch sehe ich eine Brücke im Natürlichen und im Übernatürlichen zwischen Europa und den Native Americans. Ich weiß auch, dass die Herzen vieler in Europa Native Americans gegenüber offen sind. Es gibt ein Interesse an unseren Leuten und unserer Art zu leben. Die Deutschen können den Wert und die Schönheit unseres Volkes und unsere Kultur schätzen, die wir selbst allein nicht bemessen können. Viele Native Americans haben wie ich ein Herz für Deutschland und Europa. Wir haben auch ein Interesse an Deutschen und wir schätzen eure Leute sehr. Deshalb glaube ich, dass es für uns eine Möglichkeit gibt, uns gegenseitig auf praktischer und spiritueller Ebene zu helfen. Die Bibel sagt (Sprüche 27: 17): ,,Eisen schärft Eisen, ebenso schärft ein Mensch einen anderen.“ Diese Art von Beziehung sollten wir haben. Diese „Aufgeschlossenheit“, so glaube ich, wurde von Gott in unsere Herzen gelegt, so dass wir uns in Zeiten der Bedürftigkeit gegenseitig helfen können. Nicht nur während der Zeit der Entbehrung, sondern auch um uns zu helfen, groß zu werden in allem, was wir tun und um unseren Mitmenschen zu helfen. Ich bin also hierhergekommen, um die Vision, die mir von Gott gegeben wurde mit der Kirche und anderen, die interessiert sind zu teilen, und um eine Beziehung zwischen den Natives und den Europäern aufzubauen.
Um eine Europatour für meine Band Broken Walls für 2013 zu planen, habe mich mit Konzert-Promotoren, Kirchengemeinden und anderen getroffen. Ich glaube, dass dies uns helfen wird, die Botschaft auf eine kraftvolle Weise zu überbringen.
Können Sie zunächst mitteilen, zu welchem Stamm Sie gehören und wie es diesem Indianerstamm geht?
Ich bin ein Tlingit aus dem Südosten Alaskas und komme vom (Adler-Wolf) Yungya-dee Clan. Mein indianischer Name ist Kee’gahn, das bedeutet starker Krieger. Unser Volk ist der einzige unbesiegte Stamm aus Nord Amerika. Obwohl wir durch die Kolonisierung nicht physisch zerstört wurden, haben wir sehr gelitten. Unsere Sprache und unsere Lebensart wurden fast zerstört. Obwohl unsere Traditionen noch immer gepflegt werden, und obwohl vieles in unserer reichen Kultur noch immer lebendig ist, leidet in unseren Dörfern die Sprache am meisten. Wir haben an unseren Schulen viele Programme, die uns dabei helfen sollen, unsere Sprache und das, was wir sind, zu bewahren. Viele unserer Natives in Alaska, inklusive der Tlingit, leiden unter Depressionen und empfinden es als schwer, sich in die Amerikanische Gesellschaft einzufügen. Viele _ wenden sich den Drogen, dem Alkohol und anderen Dingen zu, die nicht helfen.
Wie Sie vielleicht wissen, haben viele Deutsche großen Respekt vor dem Mut und dem Kampfgeist der Indianer, die sich ja gegenüber den Eindringlingen, den Europäern, heftig gewehrt haben. Leider wurde aber ein Stamm nach dem anderen besiegt, denn die Einwanderer waren in der Mehrzahl. Welche Konsequenzen hat die Niederlage für das Leben der Indianer heute?
Wie ich bereits sagte, waren die Tlingit auf der physischen Ebene ein unbesiegter Stamm. Die Tlingit waren meisterhafte Krieger und wussten, wie sie Alaskas raue Küste zu ihrem Vorteil nutzen konnten. Wir wurden durch die Gesellschaft besiegt. Die Kolonisten und Einwanderer legten keinen Wert auf unsere Sprache und unsere Lebensart. Wenn wir uns also eingliedern und von den Ressourcen der Nation profitieren wollten, mussten wir unseren Weg aufgeben. Viele, viele Menschen wurden gezwungen, in die Internatsschulen zu gehen, wo es ihnen nicht erlaubt war, Natives zu sein. Wir konnten unsere Sprache nicht sprechen oder unsere Gebräuche praktizieren. Viele Natives gaben es auf, die zu sein als die sie erschaffen worden waren, oder sie ergaben sich dem Alkohol und den Drogen. Dies war für unser Volk die größte „Niederlage“. Ich glaube, dass dies der Grund dafür ist, warum die Native Americans in Alaska die höchste Selbstmordrate haben. Obwohl dies hoffnungslos klingt, ist es das nicht. Dank des Schöpfers steigen wir wieder auf. Wir beginnen Heilung in unseren Leuten und in unserem Land zu sehen.
Die Europäer brachten ja auch den Alkohol mit nach Amerika. Welche Bedeutung hat der Alkohol heutzutage für die Indianer?
Bei vielen betäubt Alkohol den Schmerz und die Qual. Die Natives benutzen ihn oft aus diesem Grund. Der Alkohol führt zu einem schlechten Urteilsvermögen und schlechten Entscheidungen. Bei vielen ist es so, dass sie, wenn sie unter Alkoholeinfluss stehen, andere körperlich, sexuell, psychisch und verbal misshandeln. Der Alkohol ist für unser Volk noch immer ein fürchterliches Problem.
Wie könnten die Indianer den Alkohol am besten bekämpfen? Gibt es Vorschläge?
Ich persönlich glaube, dass wir nicht dazu in der Lage sind, dieses Problem mit dem Alkohol erfolgreich mit einfachen Programmen und unserer eigenen Widerstandsfähigkeit zu besiegen. Die erfolgreichsten Programme stützen sich auf die übernatürliche Kraft Gottes, um die Abhängigkeit vollständig zu überwinden. Sicher haben wir einige erfolgreiche Einzelne, die den Alkohol durch Beratung und Programme überwunden haben, jedoch die Mehrheit derjenigen, die davon frei sind, sind diejenigen, die ihr Leben, dem Heiligen, Jesus übergeben haben und die die Bibel als Anleitungsbuch und die Kirchengemeinde als ihre Unterstützergruppe genutzt haben. Allerdings gibt es Zurückhaltung, da wir Native Americans es manchmal schwierig empfinden, eine Kirche zu finden, die es erlaubt, Christen und gleichzeitig Natives zu sein. Gott hat uns auf eine bedachte wundervolle Art erschaffen_ Wir müssen unsere Tänze tanzen, unsere Lieder singen unsere Kultur nutzen können, um Jesus zu ehren.
Der beste Weg, den Alkohol zu bekämpfen, besteht darin, dein Leben demjenigen in Hände zu geben, der es dir geben hat und um Seine Hilfe in diesem Kampf gegen Alkohol zu bitten und darum zu beten, dass du die passende Unterstützung in Seiner Kirche erhältst.
Kennen Sie andere Indianer, die besonders aktiv gegen Alkoholvorgehen?
Ja, es gibt viele Gruppen Native Americans, die gegen den Alkoholmissbrauch vorgehen. Viele benutzen klinisches und psychologisches Wissen, um dieses Problem bekämpfen. Andere benutzen ihre Kultur, um es zu bekämpfen. Aber, noch einmal: Die erfolgreichsten Methoden, sind diejenigen, die einen ganzheitlichen Ansatz haben. Gott kann uns die Weisheit und Stärke geben, unsere Kultur und das medizinische Wissen der Welt zu nutzen, aber auch die rituelle Stärke in Anspruch zu nehmen, ohne biblische Prinzipien zu verletzen. Dies ist, was ich getan habe, dies ist wesentlich erfolgreicher als alles andere, was ich gesehen, gehört oder erfahren habe.
Wie machen die das?
Ich denke, das habe ich oben bereits beantwortet. Ich benutze ein auf dem Glauben basierendes Programm, um anderen zu helfen. Das heißt, alles, was ich tue ist biblisch begründet, aber ich lasse nicht die Wirksamkeit der medizinischen Methoden, der Beratung, Selbsthilfegruppen, der Kultur und anderer gesundheitlicher Aspekte und Aktivitäten außer Acht, um die Lücken zu schließen. Wir wenden uns oft dem Alkohol zu, um eine Leere in unserem Herzen zu füllen, um den Schmerz der Misshandlung, der Verlassenheit, der Zurückweisung zu betäuben. Deshalb braucht es Gott, um unserem Geist tiefgründige Heilung zu bringen.
Trifft es zu, dass am Rande von Reservaten besonders viel Alkohol verkauft wird?
Das ist richtig. Einige Reservationen haben lächerlich hohe Verkäufe an Alkohol. Viele Reservationen müssen den Verkauf von Alkohol verbieten, weil es vielen an Selbstkontrolle mangelt.
Wie kann man dagegen vorgehen?
Der beste Weg, um den Missbrauch von Alkohol zu regulieren, ist der mit euren Regierungsvertretern zu reden. Teilt Ihnen mit, wie sehr dies zu anderen Missbräuchen, z. B. sexuellen und körperlichen, beiträgt. Sogar die Regulierung der Öffnungszeiten kann einer unter Missbrauch leidenden Gemeinde helfen.
Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen, auch Ihrer Angehörigen, mit dem Alkohol?
Mein Vater war ein Alkoholiker. Meine Mutter und einige meiner Schwestern sind Alkoholiker. Sie leiden noch immer unter dem Schmerz der Vergangenheit und wurden noch nicht geheilt.
Dies ist meine Geschichte: Als ich vier Jahre alt war, gaben mir mein Vater und Freunde Schnaps und sie schlossen Wetten darüber ab, ob ich sie austrinken könnte oder nicht. Sie gaben mir auch Züge von Marijuana Joints und sahen mir dabei zu wie ich von dem Rauch würgte. Als ich sieben Jahre alt war, haben sich meine Eltern scheiden lassen. Mit acht Jahren war ich bereits abhängig von Marijuana und Alkohol und meine Mutter war wie mein Dealer und Zulieferer. Als ich zwölf Jahre alt wurde, übertrug meine Mutter sämtliche Befugnisse über mich und das alleinige Sorgerecht an eine völlig fremde Person. Sie hat mich im Stich gelassen. Dieser ,,Fremde“ hat mich sexuell, körperlich, psychisch und verbal missbraucht. Ich wurde mit einem Gewehr um das Haus gejagt, weil ich meine Zahnpasta an einen falschen Ort gelegt hatte. Mir wurde ständig gesagt, dass meine Leute, dass Natives, Betrunkene, Verlierer und für nichts gut seien. In Rebellion gegen jeden, sogar gegen Gott, bestand mein Leben darin, vor allem davon zu laufen. Ich benutzte Drogen, Alkohol und Beziehungen, um den Schmerz und die Qual abzutöten. Sie verschwanden nie. Ich habe auch versucht Musik zu benutzen. Die Musik beruhigte einfach mein Herz für eine kurze Zeit. Sie führte zu einem kurzfristigen Entkommen und half mir dabei, dass ich manchmal ein gutes Gefühl hatte. Ich verspürte den Wunsch aufzugeben und dachte oft darüber nach, mich selbst umzubringen; jedoch sorgten Kleinigkeiten dafür, dass ich am Leben festhielt. Einen Schimmer Hoffnung, dass es ‚morgen besser werden könnte, hatte ich noch immer. Ich hatte noch immer einen Traum in meinem Herzen und einen Glauben, dass ich meine Musik benutzen und ein Vorbild für andere werden könnte, die auf eine ähnliche Art und Weise gelitten haben wie ich. Schließlich gab ich mein Herz Jesus und begann eine Reise der Heilung. Sobald ich vom Schmerz der Vergangenheit befreit war, hatte ich das Verlangen, all das anzuwenden, was ich habe, um anderen zu helfen; ganz besonders denen, die sich selbst nicht helfen können, wie die Jugendlichen. Deshalb trommele ich. Deshalb unterrichte ich. Deshalb tanze ich. All dies tue ich zur Ehre Gottes und um zu sehen, wie meine Leute wieder frei werden. Frei, die wundervollen Natives zu sein als die sie geschaffen wurden. Frei, ihre Lieder, den Tanz, die Kultur als einen Ausdruck der Dankbarkeit gegenüber dem Heiligen, Jesus Christus zu nutzen.
Wären Sie bereit auch in Berlin Musik zu machen, z.B. in einer alkoholfreien Einrichtung?
Wir benötigen noch immer feste Sponsoren für Berlin. Ja, es ist mein Herzenswunsch, einige Konzerte zu geben und unseren indianischen Tanz 2013 in Berlin aufführen zu können. Wenn ihr jemanden kennt, der helfen könnte, unser Team zu sponsern, dann teilt es mir bitte mit.
Was möchten Sie unseren Lesern unbedingt mitteilen?
Als erstes möchte ich mich bei euch für die Liebe bedanken, die ihr unseren Native Americans entgegen bringt. Ich möchte euch mitteilen, dass Ihr von großem Wert seid und dass eure Leute und eure Kultur wundervoll sind. Ich glaube, dass, wenn ihr mit Gruppen wie Broken Walls und Carry the Cure, Inc. zusammenarbeitet, ihr einen Rückgang des Alkohol- und Drogenmissbrauchs sehen werdet. Ihr werdet sehen, wie Familien wieder zusammenkommen. Ihr werdet sehen, wie sich Väter und Mütter ihren Söhnen und Töchtern zuwenden. Ihr werdet Heilung im Herzen und Heilung in eurem Land sehen. Ihr werdet den wahren Segen des Schöpfers erfahren. Ein Tlingit Ältester gab mir dieses besondere Wort und ich gebe es euch. Es lautet „Yoguychakin“ und bedeutet: ,,Halte den Kopf oben, weil es soviel gibt, um dafür zu leben.“
Gunalchess = Danke in Tlingi
TrokkenPresse (die Übersetzung leistete Frau Carmen Kwasny)