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TrokkenPresse 01/23: Markus Majowski

Im TrokkenPresse-Interview: Markus Majowski

Du bist doch der lustige TV-Markus, das kann doch gar nicht sein?

In der vergangenen Ausgabe stellten wir das Zirkuswagenprojekt des Trockenbau e.V. in Barth vor. Pate des Projekts, Sie erinnern sich, ist Markus Majowski. Wie kommt ein prominenter Schauspieler, Komödiant und Produzent dazu, alkoholkranke Menschen zu unterstützen? Ist er vielleicht selber …? Ja, ist er. Vor zehn Jahren outete er sich öffentlich als drogen- und alkoholkrank. Zuerst in einer Talkshow, später dann in seiner 2013 erschienenen Autobiographie: „Markus, glaubst Du an den lieben Gott?“ (Rezension S. XX). Seit 14 Jahren nun ist er trocken und clean. Wie er es wurde, was ihm dabei half, wie sich sein Outing damals auf seine Karriere auswirkte …

Zuerst zum Zirkuswagenprojekt, lieber Markus: Wie bist Du Pate geworden, warum und was genau machst Du da?

Die haben sich damals einfach ganz lieb bei mir gemeldet, das Projekt am Telefon vorgestellt und das hat mich überzeugt. Weil es eben die ersten Schritte aus der aktiven Sucht betrifft, ins betreute Wohnen. Die möchte ich unterstützen. Ich habe dort einen Literaturabend gegeben, Rilke-Gedichte gelesen, in denen es um Sehnsucht geht, Verzweiflung und im weitesten Sinne auch um Liebe, um dieses mehr hin zu einer höheren Macht, verstärkt mit Zitaten aus dem blauen Buch der AA. Es ging um das Annehmen der Krankheit und das Gottvertrauen. Es war so schön, so berührend für alle, auch für mich, dass wir beschlossen haben, wir machen das wieder.

Du bist auch zum Beispiel Botschafter des Deutschen Kinderhilfswerkes, hast in Bremen ein Zentrum für trauernde Kinder mit aufgebaut, machst gerade ein Theaterprojekt mit Kindern an einer Grundschule … Warum tust Du das alles?

Um weit wegzukommen von dem einst aufgeblasenen Markus, dem erfolgreichen Markus, der dann gescheitert ist. Und eben auch, um wieder etwas zurückzugeben an die Gesellschaft. Meine Umtriebigkeit, meine aktive Sucht … da wurde mir geholfen, mir der Arsch gerettet. Das Gesicht bestimmt noch nicht, vieles kann man auch nicht mehr rückgängig machen. Ich bin über jede Aktion dankbar, mit der ich bodenständiger werde. Einfach so normale Dinge tun und für andere ein bisschen da sein. Dafür habe ich auch mein Gebet: „Befreie mich von der Last meines übermäßigen Egos, gib mir die Chance, ein anständiger Kerl zu sein, nützlich und dienlich dieser Gesellschaft, damit dein Sieg über Narzissmus, Egoismus und Boshaftigkeit Zeugnis von deiner unendlichen Macht, Größe, Liebe und Führung ablegen möge vor den Menschen, denen ich helfen möchte. Möge ich immer deinen Willen tun.“ Das ist mein Gebet an die Higher Power, an die höhere Macht, für mich an Gott.

Den Buchtitel „Markus, glaubst Du an den lieben Gott?“ beantwortest Du also mit ja?

Ich wünschte manchmal, ich hätte den Titel mit einer Klammer versehen: Markus, glaubst du an den lieben(den) Gott? Aber „Markus, glaubst du an den lieben Gott?“ ist das, was meine Großmutter mich fragte. Sie hat mich beim Stibitzen erwischt und mancher kleinen anderen Unsäglichkeit. Sie wollte wissen, ob ich denn glaube, dass es einen Gott gibt, der alles sieht. Aus meinem kindlichen Verständnis heraus habe ich das so beantwortet: Ja, ich glaube an den lieben Gott, aber ich glaube nicht, dass er petzt … Ich dachte, der wird schon alles zulassen, was ich mache, der wird mir auch vergeben, wenn ich lüge und trickse. Er ist kein strafender, sondern ein lieber Gott, der alles verzeiht. Aber ich habe nicht gemerkt, dass ich mich damit selber und meine Umwelt schädige. Heute bin ich ganz glücklich, dass ich aus diesem kindlichen Verständnis heraus bin und weiß, dass es viel mehr ein liebender Gott ist. Ich habe festgestellt, wenn ich Zeiten hatte, in denen ich nicht mehr gebetet habe, weniger Fragen gestellt habe an Gott … da war das, wie als ob ein liebender Vater oder eine liebende Mutter – ich weiß ja nicht, ob es ein männliches oder weibliches Wesen ist – von seinem Kind nicht mehr beachtet wird. Und auch das hat er mir verziehen. Ja, ich glaube an einen liebenden Gott, der mich auf den Weg schickte in die Genesung und mir alles bereitet, dass ich ein von der aktiven Sucht befreites Leben führen kann.

Warum hast Du Dich 2013 mit dem Buch überhaupt öffentlich geoutet als drogen- und alkoholkranker und bisexueller Mensch?

Es gab ein Schlüsselerlebnis. Ich saß zum zweiten Mal bei „3nach9“ in einem Interview mit di Lorenzo, um etwas vorzustellen für „Die Dreisten Drei“. Und zum zweiten Mal bot er mir auch ganz stolz seinen selbstgezogenen Rotwein an und ich habe ihn zum zweiten Mal abgelehnt. Er hat dann etwas gebohrt, gesagt, das kann doch nicht sein! Ich habe erwidert, du, ich will einfach noch ein bisschen länger leben und erzählte ihm die Kurzfassung von meiner Sucht. Plötzlich, aus heiterem Himmel, in der Live-Sendung. So habe ich mich geoutet. Und dann dachte ich, wenn ich das mache, kann ich auch gleich ein Buch schreiben. Ich wollte ein bisschen Hoffnung unter die Leute bringen und bisschen von mir erzählen, wie ich es geschafft habe.

Hatte Dein Outing berufliche Auswirkungen?

Es war damals überhaupt noch nicht normal und es gehörte nicht zum guten Ton, sich so zu outen. Es gab, glaube ich, in der Branche einen Aufschrei. Ich habe weniger Aufträge bekommen, es wurde auch ein bisschen mit Fingern auf mich gezeigt, aber nicht schlimm. Das war so diese Anfangsphase. Heute ist es so, dass diese Outcomings Normalität erreicht haben, viele Kollegen reden darüber. Das hat aber bestimmt auch damit zu tun, dass wir uns alle ganz dolle an die Hand nehmen können, wenn wir wollen. Man kann miteinander darüber reden und das ist gar nicht mehr so tabu. Das wird immer besser, finde ich.

Du hast mit 15 schon Drogen genommen, später kam Alkoholmissbrauch dazu über Jahrzehnte … wie konntest Du aufhören damit?

Ich habe kalte Entzüge gemacht, mehrere, alleine. Ein Arzt hat mich auch zweimal in eine Klinik geschickt. Einmal in eine psychosomatische Klinik in Friesland und erst dort, das war 2008, habe ich es geschafft und bin in mein erstes AA-Meeting gegangen. Der Leiter der Klinik hatte mir auf den Kopf zugesagt, „Herr Majowski, Sie sind wahrscheinlich eher ein Säufer als jemand, der ein Burnout oder psychosomatische Probleme hat. Sie gehören eigentlich an die Tische, wo Leute sitzen, die dasselbe Problem haben wie Sie. Ich würde Ihnen empfehlen, das mal auszuprobieren.“ Dann bin ich in Oldenburg in Meetings gegangen, wo die alten Hasen saßen, und letztendlich habe ich mich dort sofort wohlgefühlt, es war wie eine mütterliche, väterliche Verbindung zu den Leuten. Ich habe mich allerdings anfangs nicht zugehörig gefühlt und tat so, als ob, weil ich noch dachte, dass ich das ja alles verdient habe – also dass ich ja unheimlich viel arbeite und ja unheimlich erfolgreich bin und mich ja auch entspannen muss und ja viel trinken darf, das kann doch gar nicht sein, nichts zu trinken. Aber ich fühlte mich trotzdem bei denen aufgehoben. Die haben mir keine Ratschläge gegeben, sondern das Gefühl, dass sie für mich da sind, wenn ich sie brauche. Und das hat sich auch bewahrheitet, ich habe den Kontakt zu ihnen nie verloren. Das war die Basis dafür, dass ich AA sehr, sehr doll vertraue. Ich habe das gleiche auch in jeder anderen Stadt erlebt – wenn ich zum Beispiel auf Tournee bin, bin ich immer in den Kontaktstellen der großen Städte – dass vieles über den Tisch geteilt wurde, richtig Tacheles geredet, und ich bin trotzdem sitzen geblieben, weil die mir einfach den Arsch gerettet haben. Und wenn ich in einer fremden Stadt kein Mittagsmeeting gefunden habe, dann habe ich eins gegründet, weil ich ja abends immer auf der Bühne stand.

Wie ist das, so als Prominenter an einem AA-Tisch?

Es kommt nie vor, dass die Frage nicht gestellt wird, wenn ich neu bin in einer Stadt: Du bist doch der Markus, der im Fernsehen so lustig ist, das kann doch gar nicht sein? Ich war am Anfang wahnsinnig traurig darüber, weil mir gesagt wurde, dass die Anonymität bewahrt wird und dass ich in Ruhe gelassen würde. Aber die Verbindung war dann doch so stark zu mir, weil ich die Menschen einfach zum Lachen gebracht hatte. Weil ich für viele die Kindheit bedeute oder die Jugend. Also viele haben mich bei den Dreisten Drei erlebt und deswegen ist immer die Freude größer als der Respekt. Die können ja in dem Moment nicht wissen, dass es mir weh tut, weil ich ja weg will von dem Ego, weg von der Popularität. Ich habe auch viele Jahre lang, während ich am Anfang bei den AA saß, aufgehört, meine Karriere voranzutreiben, ich bin in ein Riesenloch gefallen beruflich, aus dem ich nur sehr schwer wieder rausgekommen bin, weil ich mich nicht mehr bemüht habe um Jobs: Ich wollte einfach nur clean bleiben, trocken bleiben.

Wie bist Du dann trocken geblieben bis heute?

Mit Hilfe meines Sponsors. Mit Beten. Mit solchen Tricks wie in Hotels in fremden Städten die Minibars leerräumen lassen. Oder in jedem Supermarkt einen Umweg zu nehmen, um möglichst nicht in die Nähe von alkoholischen Getränken zu kommen, das war am Anfang bei mir immer ein unheimlicher Trigger, so bin ich nun mal gestrickt, das ist bei jedem anders. Ich habe viel telefoniert, viel AA-Service gemacht wie Kaffeekochen, Schlüsseldienst, Literaturdienst. So bin ich trocken geblieben. Vor allem auch durch dieses regelmäßige Meetinggehen jeden Sonntag und dann noch ein 2, 3 Mal in der Woche. Ich habe keine 90 Tage 90 Meetings geschafft, aber ich denke mal, 14 Jahre sind jetzt ins Land gegangen und ich habe keinen Suchtdruck.

Zum Trockenbleiben gehört noch mehr, im Buch steht, dass Du mehr das tust, was Dir gut tut, ob nun Sport, Yoga, Ernährungsumstellung …

Das kannst du gerne zitieren, das ist tatsächlich so, ich habe sehr viel für meinen Körper getan, mich mehr bewegt. Ich habe aber gerade wieder zugenommen, weil ich eine Knie-OP hatte und einen kleinen Herzkasper. Ich bin im Oktober auf der Bühne in Karlsruhe mit einer Herzrhythmusstörung ohnmächtig geworden. Im Krankenhaus haben sie mir in der Nacht noch einen Herzkatheter gesetzt und eine Thrombose herausgeholt. Sport ist also gerade für mich ein rotes Tuch, weil ich Knieschmerzen habe und leicht außer Atem komme. Ich mache im Frühjahr eine Kur in einer 12-Schritteklinik, um nochmal mehr Genesung in mein Leben zu lassen.

Inwiefern hat Dir Gott beim Aufhören und Trockenbleiben geholfen, wie kann ich mir das vorstellen?

Das ist schlicht und ergreifend ein Wunder. Ich hätte eigentlich viel öfter auf die Fresse fallen müssen. Aber Gott hat mir meine Grenze gezeigt. Er hat mich an den Ort geführt, an dem ich meine Kapitulation haben durfte und hat mir dann ein Leben gezeigt, was voller Wertschätzung ist, was alles etwas ruhiger angehen lässt, was mit Zuhören zusammenhängt, mit Selbstannahme und Selbstfürsorge. Ich nehme mich heute so, wie ich bin, weil ich merke, dass Gott mich liebt. Selbst, wenn es mal ganz, ganz schwierig ist – und das ist es oft in meinem Leben durch neue berufliche Herausforderungen, mangelnde Aufträge, Krankheit oder finanzielle Probleme –, bei aller Sorge bin ich gut aufgehoben und fühle mich geborgen und geliebt. Ich spüre ihn einfach. Ich spüre meine höhere Macht.

Hat Dich die Krankheit Alkoholismus etwas gelehrt?

Ja, generell hinzugucken auf das, was in der Welt schön ist, nicht dunkel und beängstigend ist. Die Sucht hat mich gelehrt, auf die kleinen Dingen zu achten, sie wertzuschätzen, so klein sie auch sind. Sie hat mich auch gelehrt, dass sie als Krankheit sehr gerissen ist, denn sie versteckt sich auch. Also ich kann meine Sucht verlagern und wenn es zu viel wird, ob das beim Arbeiten oder Essen ist, dann weiß ich sofort, das ist der Alkoholismus, der gerade woanders zuschlägt. Immer kann ich dann auf bewährte Werkzeuge zurückgreifen: Ich rufe jemanden an, bitte um Hilfe, gehe dahin, wo Leute sind, die mit der Krankheit Erfahrung haben, muss mit der Krankheit nicht alleine sein.

Jetzt sind mindestens noch eine Million Fragen offen, lieber Markus Zum Beispiel, wann, wo und weshalb hast Du getrunken oder wie hat Deine Ehe mit Barbara diese Zeit überstehen können oder … aber die Antworten darauf können die interessierten LeserInnen auf jeden Fall in Deinen beiden Büchern finden. Seit einem Jahr ist ja auch Dein aktuelles auf dem Markt: Markus, mach mal! Runter vom roten Teppich, rauf auf die Leiter“, Plassen-Verlag. Die Buchbesprechung dazu gibt es in der nächsten Ausgabe. Danke für das Gespräch!

 

Das Gespräch führte Anja Wilhelm