Das Rätsel Rückfall oder: „… es ist mal wieder passiert …“
Rüdiger-Rolf Salloch-Vogel
Ich war noch jung, etwa vier Jahre alkoholabhängig, als ich mit dem Zug zum Studium nach Düsseldorf fuhr. Kurz vor einer Haltestelle bekam ich einen Angstanfall. An der Haltestelle stieg ich aus und blickte mich um, als der Zug abgefahren und der Bahnsteig leer war. Es war ein wunderschöner Friihsommennorgen, ich konnte in das Ruhrtal hinunter blicken, auf die Mintard-Brücke in der Ferne. Die Trinkhalle war offen und in der Trinkhalle eine freundliche Verkäuferin. Ich war nur wenig hin und her gerissen. Ich spürte zwar genau, dass das Trinken falsch sein würde, aber dennoch trank ich. Dieses Ereignis ist fast 50 Jahre her und ich habe es nie vergessen.
Als abstinenter Alkoholiker, der durchgängig trocken bleiben durfte, bin ich mir durchaus darüber im Klaren, dass auch ich stets mehr oder weniger gefährdet bin, rückfällig zu werden, was zu dem Schluss führen kann: ,.Du solltest Dein Maul nicht so weit aufreißen“. Lange habe ich gedacht, es entwickelt sich eine Art negative Magie, wenn ich zu „übermütig“ werde und ein solches Thema anschneide. Das rückt aber das ganze Rückfallgeschehen in die Nähe einer Art bösen Rückfallzaubers, dem man sich aussetzt, wenn man versucht, Distanz aufzunehmen und etwas über den Rückfall zu schreiben. Heute, auf meinem Weg in eine weitere zufriedene Nüchternheit, weiß ich: Meine Erfahrungen verpflichten mich sogar dazu, Erkenntnis, Erfahrung, Kraft und Hoffnung weiterzugeben, und so Denk- und Gefühlsanstöße zu geben, um vielleicht Rückfälle zu verhindern.
Es wird gerne übersehen, dass Rückfälle im Leben eines Alkoholikers oder Drogenabhängigen etwas ganz Normales sind: Alkoholismus ist zum Beispiel eine Rückfallkrankheit. Seltsamerweise erinnern sich nur wenige Patienten in einer Therapie an diese Tatsache und bezeichnen etwas als Rückfall, was nach einer Therapie stattgefunden hat. Und das stimmt eben nicht. Immer und immer wieder haben sie versucht, kontrolliert zu trinken, Tabletten oder Drogen zu nehmen, oder zu kiffen, um immer wieder festzustellen, dass sie genau das nicht kontrollieren können. Dabei werden Süchtige zunehmend unfähiger, die erforderlichen Schlüsse aus diesem Erleben zu ziehen, bzw. auf ihr Gewissen oder die Aussagen von Freunden und Angehörigen zu hören.
Vielleicht ist es zu Beginn dieser Arbeit wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass jeder Suchtkranke seine persönliche Sucht hat, so wie wir zum Beispiel, auch unterschiedlich gekleidet sind. Wir sind ja von Anfang an, auch in jüngsten Jahren, schon eine Persönlichkeit, die sich entwickelt und reifen kann, in der zwar keine „Sucht steckt“, aber doch wohl Defizite vorliegen, welche die Entwicklung behindern und bestimmte Strukturmerkmale prägen. Wenn diese in Richtung Sucht weisen, nennt man das, wie bei jeder anderen Krankheit auch, Prädisposition. Beispielhaft sei auf den so genannten Reizschutz verwiesen. Einfach gesagt, es gibt Menschen mit einem sehr dünnen und solche mit einem sehr dicken Fell. Dabei kann man sich gut vorstellen, dass jemand, der sehr empfindlich und dünnhäutig auf Alltagsereignisse reagiert und zuhause auch noch einen Dauerstress hat, geradezu glücklich ist, wenn er zum ersten Mal die angstlösende und befreiende Wirkung des Alkohols spürt: Fachleute nennen diese Wirkung die .Erlöserwirkung“ einer Droge. Deshalb sagen auch manche Suchtkranke: ,,Ich war vom ersten Schluck an abhängig.“ Niemand wird hinter diesem sehr angenehmen Gefühl den Beginn einer Sucht vermuten. Warum sollte man in einer trinkenden Gesellschaft, in der auch ein Rausch erlaubt ist, sich von Anfang an von einer Droge abschneiden, die so angenehm und hilfreich wirkt?
Seltsamerweise schmeckt vielen Süchtigen zu Beginn der Alkohol nicht, so dass ich manchmal denke, dass wir uns unsere Süchte wie Rauchen, Trinken oder Drogen nehmen am Anfang geradezu „anquälen“ müssen. Da wir auf die Erlöserwirkung der Droge gar nicht verzichten wollen oder können, wechseln nicht wenige nach jedem Desaster die Alkoholart. Sie hofften und nehmen an, dass sie diesen Alkohol kontrolliert trinken können und vielleicht doch etwas Besonderes wären in der Welt der Vieltrinker. Sie können sich nicht vorstellen, dass sie eines Tages herabgestuft werden könnten auf dieses primitive ,,Mund auf, Stoff rein, Wirkung abwarten.“
Bis zum heutigen Tage erleben Suchtkranke Rückfälle unterschiedlich. Nicht selten als etwas Unerklärliches, Plötzliches. Und weil sie sich dieses Ereignis nicht erklären können, suchen sie sich irgendein Ereignis aus, das, je eindringlicher es ist, einen Rückfall am besten erklärt. Dabei dient das Ereignis in der Regel als Begründung für den Rückfall. Zurzeit sind ,,Mobbing“, Burnout oder ein Todesfall die .Renner“, wenn es darum geht, einen Rückfall zu begründen. Beispielhaft mache ich folgendes klar: Was glauben Sie, wie es in Deutschland aussähe, wenn jeder, der gemobbt wird oder ein Burn-out hat und dagegen Alkohol trinkt, Alkoholiker würde? Es muss also eine besondere Reaktionsweise bei bestimmten Menschen geben, die in den genannten Situationen unbedingt und wider besseres Wissen die Erlöserwirkung der Droge brauchen, und sei es auch nur für eine halbe Stunde. Und diese Wirkung ist so stark, dass auch der Wunsch nach Abstinenz nicht eingehalten werden kann.
Je älter ich werde, desto mehr neige ich zum Einfachen. Das Einfache haftet oft lebenslang, wie mein Erlebnis auf dem Bahnhof als Student zeigt, während ein Regelwerk durchaus schnell wieder vergessen werden kann, wenn es keine „Nahrung“ erhält und immer wieder vertieft und eingeübt wird.
Für das Einfache möchte ich zwei Beispiele nennen:
Marlatt und Gordon haben vor 25 Jahren bereits beschrieben, dass Unzufriedenheit im Leben durchaus in einen Rückfall münden kann. So einfach ist das: Ich habe dafür zu sorgen und die Verantwortung dafür zu tragen, dass ich so wenig unzufrieden wie möglich bin und dass ich zunächst Verständnis dafür aufbringen muss, warum ein durch eine Droge geschädigtes Gehirn etwas mehr Ruhe braucht und ich also vielleicht zunächst nicht allen familiären, beruflichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen nachgehen kann.
Klaus Grawe, hat in seinem Buch „Psychologische Therapie“ auf etwas sehr Wichtiges hingewiesen:
Es ist einfacher, eine Angst- und Panikstörung psychotherapeutisch zu behandeln als eine Alkoholkrankheit. Das liegt daran, dass die Panikstörung sich bis zum völligen Verschwinden bessert, wenn wir spüren und erkennen können, wie die Panik durch Aushalten und durch bestimmte Verhaltensweisen nachlässt. Dieses Nachlassen gibt uns einen großen positiven Schub, so dass wir im nächsten Arbeitsschritt schon etwas optimistischer daran arbeiten können.
Wenn wir uns aber fest vornehmen, nicht mehr zu trinken, also nicht mehr rückfällig zu werden, stehen wir einer Welt gegenüber, in der es dutzendfache Verführungen gibt, die versuchen, unser Vorhaben und die mühevoll aufgebaute Abstinenz zu schwächen.
Die Stärkung meiner „guten“ Vorsätze braucht ,,…regelmäßige Nahrung und Pflege…“ , um dieses Vorhaben gegen das Eindringen alt gewohnter Verführungen abzuschirmen. „… Die Anonymen Alkoholiker haben daraus eine folgerichtige Konsequenz gezogen…“, schreibt Grawe.
Ich war derartig verblüfft, dass ein Professor für Medizinische Psychologie und Psychotherapieforscher nun ausgerechnet AA erwähnt, dass ich sofort nachgelesen habe, ob das auch so in dem Lehrbuch steht. Offenbar meint Grawe damit, dass alleine die Tatsache, dass ich regelmäßig ein- bis zweimal in der Woche in eine Selbsthilfegruppe gehe und im Gespräch laut sage: ,,Mein Name ist Rüdiger, ich bin Alkoholiker“ – mein Abstinenz-Vorhaben vertieft und verstärkt.
Gute therapeutische Möglichkeiten, über die Lindenmeyer ausführlich geschrieben hat, sind zum Scheitern verurteilt, wenn die Patienten nicht an deren Effektivität glauben können oder wollen. Der kleine entscheidende Schritt zum Glauben hin ist die Akzeptanz der Tatsache, dass ich nicht trinken kann, also abstinent leben muss. Nur, wenn ich das zu Anfang wenigstens zeitweise weiß, werde ich auch bereit sein, Therapeuten oder längerfristig abstinente Suchtkranke zu fragen, welche Möglichkeiten es gibt, um meine Abstinenz zu erhalten.
Denn wenn ich alleine langfristig abstinent leben könnte, hätte ich das ja wohl schon längst getan und es wäre nicht erforderlich gewesen, eine Entgiftung und eine Entwöhnung durchzuführen.
Selbsthilfegruppen haben, wie wir nach über 100 Jahren wissen, eine derartige abstinenzstärkende Wirkung, dass wir heute von einem Kunstfehler sprechen müssen, wenn Therapeuten oder Ärzte uns eine solche Selbsthilfegruppe nicht dringend zur langen Nachsorge empfehlen.
Allen guten therapeutischen Hilfsmöglichkeiten zum Trotz, erfahre ich auch immer wieder, dass in einer stationären oder ambulanten Therapie nicht deutlich genug darauf hingewiesen wird, wie lange der Aufbau einer stabilen Abstinenz und einer sicheren Genesung dauert. Das halte ich für ein großes Unglück, denn der Glaube an die Naturwissenschaften hat in der heutigen Zeit auch dazu geführt, dass wir davon ausgehen, dass ein therapeutischer Prozess ein bestimmtes Ergebnis hat, welches dann auch tragen muss. Ein Beispiel: Sechs Tage nach einer Blinddarmoperation kann man wieder nachhause gehen.
Suchtkranke sind aber bei chronischem Verlauf in der Regel geistig-seelisch und körperlich derartig geschädigt, dass es etwa drei Jahre dauert, bis ich mich in etwa zu dem oder der entwickelt habe, der oder die ich bin. Mich also besser erkenne und meine Abstinenz besser annehmen kann.
Der ständige Kontakt mit der trinkenden Welt ist für einen abstinenten Alkoholiker zunächst viel anstrengender als er glaubt. Dazu kommt das Bemühen, sich im familiären und beruflichen Umfeld wieder zu rehabilitieren, das – vielleicht auch zu Recht – mit Vorhaltungen nicht geizt. Das erste „einfache“ Phänomen, das Suchtkranke zu Beginn der Abstinenz heimsucht ist eine ausgeprägte Erschöpfung.
Die Umwelt erwartet von mir, auch wenn es manchmal nicht ausgesprochen wird, dass jetzt „alles gut ist“ und ich wieder so sein soll wie früher. Die Menschen denken, mein jetzt behinderter Geist und Körper habe sich nicht verändert und sei gesund in dem Moment, in dem ich keinen Alkohol mehr zu mir nehme. Früher hat mich die Droge wie eine Schicht Styropor abgeschirmt. Jetzt fühle ich mich in den ersten Wochen und Monaten, als ob mir bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen sei, so dünnhäutig bin ich und leide unter dem enormen, hohen Informationszufluss. Es gibt nur wenige Menschen, die sich nach der Entwöhnung gut und gesund fühlen, in der Regel sind die Betroffenen müde, matt, verwirrt, ängstlich und traurig. Wer will schon zugeben, dass er sich um 16.00 Uhr müde und erschöpft nach des Tages Arbeit ins Bett legen muss und erst zum gemeinsamen Abendessen wieder aufstehen kann. Auf diese Erschöpfung müssen Süchtige auch psychologisch vorbereitet werden! Dazu kommt nicht selten eine über 24 Monate gehende Schlafstörung, so dass wir in der Nachsorge die Menschen immer wieder ermutigen müssen, dass die Erschöpfung und auch die Schlafstörung eines Tages vorüber gehen werden (40 Zigaretten und 3 1 Kaffee pro Tag sind die falsche Behandlungsart!).
Ein wichtiger Grund für die chronische Erschöpfung ist auch etwas, das ich „Gefühlsmatsch“ nennen will. Süchtige Menschen sind am Ende ihrer Erkrankung kaum noch im Stande, Gefühle differenziert zu erleben und auszuhalten. Nicht suchtkranke, erwachsene Menschen erleben in der Regel gleichzeitig unterschiedliche Gefühle wie z. B. Angst und Freude und können diese auch differenziert auseinanderhalten. Suchtkranke können das oft nicht und werden nicht selten quasi überflutet von einem großen Volumen undifferenzierter Gefühle in unterschiedlicher Qualität und Quantität, dem von mir so genannten „Gefühlsmatsch“. Das auszuhalten ohne zu trinken, ist enorm anstrengend und erschöpfend.
Ein zweites „einfaches“ Hindernis beim Erhalt meiner Abstinenz ist meine eigene Unehrlichkeit.
Ich habe viele Jahre gebraucht um zu begreifen, dass sich niemand so betrügen kann wie ich mich selbst. Meine persönliche Wahrheit, der familiäre Zusammenbruch, der finanzielle Zusammenbruch und die Tatsache, dass ich nun zu den Alkoholikern gehörte, ließ mich schier verzweifeln und mein Leben unwert werden und deshalb vieles leugnen, was ich mir unbedingt hätte klarmachen müssen. Es ist sehr schwer, eingeschliffene Verhaltensweisen zu ändern. Ich hatte bis zu meinem Tiefpunkteinen ziemlich großen Mund und eine ganze Anzahl von Menschen verletzt, um beruflich vorwärts zu kommen und hatte noch lange nicht begriffen, dass Ehrlichkeit mich nicht verletzlich machen würde und dass niemand vorhatte, mich auszulachen. Natürlich haben Menschen Wetten darüber abgeschlossen, wann ich wieder trinke, und ich habe mich in den ersten Jahren tierisch darüber geärgert, wenn mal wieder jemand erzählte, er hätte gesehen, wie ich betrunken in ein Krankenhaus eingeliefert worden sei. Aber was soll man dagegen machen?
Es war schon schmerzlich genug, dass die alten Methoden meines Lebens nicht mehr greifen konnten, ich aber noch keine neuen entwickelt hatte. Ich fand es ziemlich schrecklich, Probleme nicht mehr so einfach lösen zu können wie früher. Es war ein großer Schritt in meinem Leben, als mir eines Tages jemand beibrachte und ich begreifen konnte, dass ich nicht von heute auf morgen über meine Wahrheit verfügen kann, aber dass es genügt, wenn ich die Bereitschaft dazu aufbringe, ehrlich zu werden und vorsichtig zu üben beginne. Als ganz einfache Übung habe ich damit begonnen, den Versuch zu unternehmen, einmal einen ganzen Tag ehrlich zu sein zu mir und anderen, ohne dies jemandem zu sagen und ohne jedes „Theater“. Das ist ein großer Schritt gegen Rückfälle, wenn ich endlich spüren kann, dass Ehrlichkeit niemals falsch sein kann.
Sehr wichtig sind die Erkenntnis und der Glaube daran, dass es ein Suchtgedächtnis gibt. Jeder kann das im Internet oder in der Literatur nachlesen. Ich habe allerdings auch erlebt, dass ein angehender Arzt, Psychologe oder Sozialarbeiter den Suchtkranken erklärt hat, es gebe kein Suchtgedächtnis, das habe er im Studium gelernt. Deshalb möchte ich ein letztes Beispiel aus meiner persönlichen Geschichte zitieren:
Im Rahmen einer recht komplizierten Operation sollte ich nach langer Abstinenz während der Operation Opiate bekommen. Natürlich habe ich dem Oberarzt der Anästhesie alles vorgetragen, was uns zur Verfügung steht, aber seine Antwort war schlicht: ,,Sagen Sie mir, was ich Ihnen stattdessen geben soll, damit wir Sie überhaupt operieren können!“
Die Operation verlief gut, und ich war überrascht, was ich für eine glänzende Laune nach der OP hatte, meine gebrochenen Rippen taten, ebenso wie die operierte Schulter nicht mehr wesentlich weh. Ich fand die Narkose sei eine tolle Sache gewesen. Und teilte das auch jedem mit, der es hören wollte.
Ich war etwas misstrauisch, weil ich mich gerne an die Operation erinnerte und auch nichts dagegen gehabt hätte, wenn man mich zwei oder drei Tage später aus irgendeinem Grund noch einmal operiert hätte. Ich hätte das eingesehen und sofort zugestimmt.
Etwa vier Wochen nach der Operation stand ich gedankenschwer vor einem großen Plakat, auf dem eine Brauerei mitteilte, es sei ihr gelungen, das wirklich alkoholfreie Bier zu brauen, als eine seltsam kühle Stimme in mir sagte, nach diesen vielen Jahren Trockenheit könnte ich jetzt doch bestimmt mal einen trinken, es sei ja kein Alkohol drin. Ich wusste genau wie das enden würde und wurde sehr unruhig. In der Gruppe sagte eine Freundin: ,,Du, Rüdiger, hör doch jetzt mal zu! Seit 14 Tagen versuche ich, Dir in den Gruppen klarzumachen, dass ich das kenne mit dem alkoholfreien Bier und habe von meinen zwei Operationen erzählt. Du hast mich aber nicht hören wollen oder können.“ Ich empfand diesen, aus der Kälte gewachsenen Vorschlag, doch mal einen zu trinken, als gefährlich und grausam und litt darunter, weil ich das bei mir nicht mehr für möglich gehalten hatte. Bis ich eines Tages nach einem Frühstück im Sonnenschein etwas entspannter durch einen Park ging und auf einer Bank einen alten Mann fand, der gewaltig rauchte. Er entließ den Rauch in alle Windrichtungen und ich nahm
genussvoll eine ganze Nase von davon. Da sagte dieselbe Stimme in mir: ,,Und rauchen könntest du übrigens auch mal wieder eine.“ Ich habe meine letzte Zigarette 1984 geraucht und schlagartig wurde mir klar, dass mein Suchtgedächtnis aktiviert war und mich zum Rauchen und Trinken bringen wollte. Von diesem Moment an ging es mir besser.
Ich habe versucht, einige „einfache“ Kleinigkeiten zu vermitteln, mit denen sich Rückfälle vielleicht vermeiden lassen. So hoffe ich, dass ich zeigen konnte, dass sich Erschöpfung und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, Unglaube, Gefühlsausbrüche und die Folgen des Suchtgedächtnisses in einer Selbsthilfegruppe unter „Gleichgesinnten“ leichter ertragen lassen, als wenn ich alleine versuche „eisern“ zu sein. Das ist ebenso nutzlos, wie in einer blitzsauberen Wohnung „von dem Teppich zu essen“, wie meine Mutter als Gipfel der Sauberkeit immer sagte.
Was kann ich denn nun tun, wenn meine Abstinenz gefährdet ist? Meine Erfahrung ist es, dass ich bedingungslos jede Form von Hilfe annehmen muss, die es gibt, um nicht zu Trinken oder Drogen zu nehmen. Und diese Bedingungslosigkeit beschäftigt mich bis heute und fördert meine Kreativität zum abstinenten Leben und meine Bitte an meine Höhere Macht, damit ich nicht eines Tages einmal sagen muss: ,,Leider ist es passiert.“